Kapitel 10: Finale Grandioso, oder: Die Passion Hamanos

Takara wandte verzweifelte Blicke zu ihrem Bruder, als Matsuo einfach so mitten ins Geschehen geplatz kam und ihr etwas von einem Kleid erzählte, das vor ihrem inneren Auge weniger nach einem Ballkleid aussah als vielmehr nach etwas, was man vielleicht auf dem Straßenstrich tragen würde, oder in irgendeiner anderen Abteilung des Rotlichtmilieus. Allein schon die Vorstellung daran ließ ihr einen kalten Schauder über den Rücken laufen. Und dazu noch die ungehobelte Ausdrucksweise von Matsuo? Sie konnte nicht umhin, als ihre Blicke wieder zu Ryouji schweifen zu lassen, wobei sie hinter sich ein Schmunzeln und ein Kichern bemerkte, was von Yoshiro zu kommen schien, der die offensichtliche Modeberatung ziemlich witzig fand.

Auch die Ahnen der Shadakos waren verschwunden, da sich Miya beschwert hatte, es würde ihr den Magen umdrehen. Ihnen gefolgt waren auch Asato und Chiyo, die sich einfach in Nebel aufgelöst hatten, und alsbald auch Ruka, die leicht geseufzt hatte. Geblieben war Amura, der das Schauspiel genauso interessiert verfolgte wie auch Yuka und Ichiru.
Kazumi war ebenfalls mit Vincent verschwunden. Der hatte zwar nichts dagegen, dem Schauspiel beizuwohnen, aber Kazumi selbst drehte es halb den Magen um. Sie war einiges gewohnt von ihrem Ehemann, aber das hieß noch längst nicht, dass sie alles billigte.

Ryouji kam nicht umhin den gequälten Blick seiner Schwester zu bemerken, weshalb er eine Möglichkeit suchte, wie sie Matsuo los werden konnten. Wie gerufen entdeckte er Azuma, der sich wohl doch noch hergetraut hatte. Er schlich sich zwischen den Tribünen herum und schien einen freien Platz zu suchen.
"Matsuo...mir fällt da gerade etwas ein, was ich von Azuma gehört hatte", platzte Ryouji in Matsuos Einführungen ein, als sie gerade mit Takara besprechen wollte, welche Schuhgröße sie denn hatte, damit sie mit ihr die passenden High Heels für das Kleid aussuchen konnten. "Was? Merkst du nicht, dass du störst, Paps? Ich und meine Tante befinden uns in einer wichtigen Diskussion!!! Willst du etwa schuld sein, wenn meine Tante bei diesem Ball aussieht, als würde sie einen Kartoffelsack tragen?"; entgegnete Matsuo genervt, da sie sich nur ungern unterbrechen ließ.
"Ich hatte von Azuma wortwörtlich gehört, dass es keinen Unterschied zwischen Cyan und Türkis gibt!"; erklärte Ryouji, doch hatte er noch nicht ganz ausgesprochen, da war Matsuo schon verschwunden. Stattdessen konnte man sehen wie Azuma um sein Leben rannte, gefolgt von einer in Rage geratenen Matsuo und ihren Schattenwölfen.
"Puuuh ich hoffe der Junge nimmt mir das nicht übel...", lachte Ryouji. "Aber immerhin sind wir sie jetzt für eine Weile los. Tut mir leid für die Belästigung, Schwester. Ich fürchte ich hatte den Zustand meiner Tochter unterschätzt...", entschuldigte sich Ryouji beschämt.

Takara warf ihrem Bruder zuerst einen etwas verwunderten Blick zu, als dieser Matsuo gegenüber etwas von einem Azuma erwähnte. Als sie dann aber den Jungen sah, verstand sie. Er war der einzige gewesen, der die Prüfungen an der Hiya-Akademie nicht geschafft hatte, und deshalb eigentlich auch nicht zum Ball und nicht zur Hinrichtung hatte erscheinen wollen. Dass er nun doch da war, schien für Takara die rettende Idee zu sein, denn sie verstand alsbald, worauf ihr Bruder hinauswollte - und noch glücklicher war sie, als dessen Plan auch aufging.
"Danke, danke, danke.... Puuh, ich will ja wirklich nicht böse sein, aber deine Tochter hat gewisseVorstellungen, die ich absolut nicht teile.... Ich hoffe doch, sie hat von alledem hier kein Trauma davongetragen?" fragte Takara und schüttelte etwas den Kopf. Sie war heilfroh, dass sie aus diesem Gespräch herausgeholt worden war. Ein Kleid mit Spitze? Dessen Ausschnitt so tief ragte, dass es kaum mehr schön war? ads war alles andere als das, was sie wollte.

"Nicht zu danken, Schwester. Mich hat sie auch genervt...sie wollte mich auch schon mit meinem Anzug beraten. Die hatte mir doch allen Ernstes vorgeschlagen mit einem Anzug zu gehen, bei dem die Schultern frei liegen und die Seiten.
Ich glaube sie muss seit dem Schulball irgendwie ein Trauma bekommen haben oder so etwas. Seitdem ist sie noch verrückter was die Kleider angeht, als jemals zuvor"; plauderte Ryouji aus dem Nähkästchen, während Matsuo und Azuma mittlerweile aus der Sichtweite verschwunden waren. Da man Azuma aber noch spüren konnte, hatte Matsuo ihn wohl noch nicht erreicht oder beziehungsweise noch nicht getötet.

"Ich denke sie muss mal wieder durchschlafen und eine Kur machen. Wenn du mich fragst, hat sie den vielen Stress im letzten Jahr nicht gut vertragen!", vermutete der Taiki, während auf dem Schaffott Hamano mittlerweile ohne Ende nach einem Ende der Folter bat. Akuma verstand eben sein Handwerk bestens wie kein Anderer.

"Frei liegende Schultern und Seiten?" Takara starrte ihren Mann perplex an. Sie glaubte kaum seinen Worten, und noch weniger konnte sie es sich vorstellen, dass ihr Bruder in solch einem Fummel herumlaufen würde. "Aber sie hatte schon am Schulball etwas.... Seltsames an. Wenn du mich fragst, war die Kombination mit der Spitze auch nicht gerade so angenehm." Sie runzelte die Stirn beim Gedanken an das Kleid, welches Matsuo beim Schulball getragen hatte.

"Will immernoch niemand Gnade für ihn?" fragte Luzius, der mittlerweile Hamano an einigen Stellen die Haut abgezogen hatte und dort mit glühenden Eisen zu Werk gegangen war. Knochenbrüche an den Handgelenken und an den Fußgelenken hatten dem Programm einen schönen Rahmen gegeben - fand er zumindest. Wie sich Hamano darüber äußerte, war ihm relativ egal.

"Oh das....das war ursprünglich ein uraltes Abendkleid ihrer Urgroßmutter, möge sie in Frieden ruhen. Das Kleid war ursprünglich nicht ganz so lang und hatte auch keine Spitze oder gar einen Ausschnitt am Bauch. Den Ausschnitt und die Schleppe hatte das Kleid erst nach der Überarbeitung von Matsuo...also wenn du mich fragst muss sie ihren Frust ersoffen haben oder so etwas. Ich wüsste nicht wie man sonst auf solche scheußlichen Ideen kommt. Vielleicht sollte ich mal überprüfen was sie für Zeitschriften liest.
Irgendwie muss sie ja auf diese seltsamen Ideen kommen....", erklärte Ryouji. Mittlerweile beachtete nur noch ein geringer Teil der anwesenden Vampire die Folter. Lady Fortescune beobachtet aber noch eifrig die Folterung. Sie erinnerte sich an ihren ursprünglichen Auftrag und dachte schon darüber nach, ob Luzius vielleicht diesmal mit sich reden ließ.

Als Luzius keine Antworten bekam, stand Lady Fortescune am Schaffott und räusperte sich. "Ich weiß, dass wir keinen guten Start miteinander hatten. Ich entschuldige mich dafür. Aber ich komme jetzt gleich zur Sache: Da Sie und die Vampire jetzt ja die Gelegenheit dazu hatten, sich zur Genüge an diesem Vampir auszulassen und ihre Rache zu vollziehen, würde ich meine Bitte noch einmal vortragen, dass ihr ihn mir überlasst, damit er auch noch in Rom gerichtet werden kann von unserem heiligen Triumvirat. Wir werden ihn am Ende auch zu euch zurück schicken, keine Sorge. Seid ihr diesmal einverstanden?", fragte die Hunterin vorsichtig. Gedanklich dachte sie bereits an die lockende Beförderung, wenn sie mit solch einem hochrangig gesuchten Vampir in den Händen nach Rom zurückkehrte.

"Es ist schade um das schöne Kleid, wirklich schade." meinte Takara und erinnerte sich daran. Sie hatte wirklich einmal solch ein Kleid gesehen, und jetzt erst erkannte sie, was damit passiert war, und ein wenig wich ihr die Farbe aus dem Gesicht. Dann aber schüttelte sie nur ein wenig den Kopf. "Ich hätte zuerst gedacht dass sie sich bei Emi-san orientieren würde, aber offensichtlich scheint ja eher das Gegenteil der Fall zu sein.... naja, du solltest wirklich einmal nachsehen. Vielleicht sind es Heftchen von den Designern aus Paris? Zumindest habe ich bei ihnen schon einmal solche "Fälle" gesehen. Als ich mit Yoshiro einmal im Urlaub war, waren wir auf einer Modeschau, aber ich sage dir, es war schrecklich. Kleider mit riesigen Schleifen vorne am Bauch, Kleider die aussahen, als wären sie aus Zeitungspapier gemacht.... du, du willst es dir nicht antun."

Luzius ließ gerade von Hamano ab, und verengte etwas die Augen, als er Lady Fortescune entdeckte. "Sie waren wirklich nicht gerade freundlich, dass muss man zugeben." bemerkte er spitz, horchte dann aber dennoch hin, was sie zu sagen hatte. "Sagt mir, Lady Fortescune, was bekäme ich für die Auslieferung? Sie reden hier mit dem Teufel, und ich verschenke nichts. Ich gehe Deals ein. Was könnte der Vatikan mir bieten? Und vor allem: Was könnte das Triumvirat mir bieten?" Er wandte den Blick zu Hamano, ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen. "Wenn Sie etwas finden, was ich gebrauchen könnte, und wenn Sie ihn zurückbringen, könnten Sie ihn natürlich haben." Er hatte bereits Hamanos Ketten in die Hand genommen, und zerrte diesen zu sich.

Lady Fortescune wurde sofort hellhörig. "Natürlich bekommen Sie ihn zurück. Versprochen. Wem wollen Sie schon mehr trauen als uns! Das Triumvirat hat noch niemals auch nur einmal gelogen!", versprach die Hunterin und schritt weiter vor. Hamano lehnte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Pfahl, an den er gekettet gewesen war, während seine Wunden langsam wieder verheilten.
"Leiht uns den Vampir und wir werden uns endgültig aus dem Gebiet der Kageshima zurückziehen und eure Schöpfung in Zukunft völlig sich selbst überlassen und uns nicht mehr einmischen! Ist das nicht schon verlockend genug? Wir werden sämtliche verbliebenen Hunterzentralen und Lagerstätten räumen und uns auf die Kontinente zurückziehen", schlug die Lady vor, wobei sie nicht präzisierte ob damit auch die Akademie von Kaien gemeint war.

"Das hört sich fast an, wie das, was ich auf ihren Design-Entwürfen vorfinde. Ich habe einen ihrer Entwürfe für ein Kleid gesehen, das mehr Ähnlichkeit mit dem Hintern eines Vogelstrauß als mit einem Ballkleid hatte. Meine Tochter hat mich aber dabei erwischt und mich mit den Worten fortgeschickt, dass ich wohl noch nicht bereit sei für die neue, moderne Mode!", erzählte Ryouji und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Das Gackern lockte diesmal Emi an, die gehört hatte, dass jemand die Worte Mode und Matsuo im selben Satz benutzt hatte.

"Das reicht nicht. " erwiderte Luzius knapp. Er hatte einen kurzen Blick zu Hamano geworfen, und als er gemerkt hatte, dass dieser sich wieder an den Pfahl lehnte, hatte er erneut an den Ketten gezogen. "Habe ich dir erlaubt, dich auszuruhen?" zischte er und in seiner Stimme lag tiefste Autorität und doch zugleich ein gewisser Zorn und Hass. Doch bevor er sich weiter um Hamano kümmern wollte, wandte er sich wieder der Hunterin zu. "Die Akademie bleibt bestehen. Die Hunter können von mir aus auf der Insel leben bleiben, doch sie werden sich nicht einmischen. Ich verlange ebenfalls jede Streichung meines Namens aus sämtlichen Gebeten, jede Entfernung meiner Gestalt aus euren Bildern. Ich will eine komplette Reinwaschung meines Namens seitens der Kirche. Und ich werde in dieser Hinsicht absolut nicht mit mir handeln lassen."

Takara sah auf, als sie Emi bemerkte, die offensichtlich von den Witzeleien gegen Matsuo angelockt worden war. Sie selbst hatte beim Gedanken an das Kleid das Gesicht verzogen. Es bereitete ihr doch Unbehagen zu wissen, dass ihre Nichte zu solchen abscheulichen Werken fähig war. Es war ein Verbrechen an der Mode, und eigentlich eine Schande für die Familie Taiki.

Lady Fortescune schluckte schwer, bevor sie antwortete. Zähneknirschend grübelte sie lange noch nach, bevor sie dann aber doch nachgab. "In Ordnung...ich werde dem Triumvirat deutlich machen, dass sie eure Forderungen durchsetzen werden! Ihr habt mein Wort!"; versicherte die Hunterin und streckte Luzius die Hand hin, um ihren "Deal" zu bestätigen.

"Mir kam gerade so etwas zu Ohren über meine Lieblingsfei...Mitschülerin. Einige Jahrzehnte jünger als ich und trotzdem steckt sie schon voller idiotischer Ideen. Wundert mich schon längst nicht mehr, dass ihr Läden ständig leer steht. Wer würde auch schon freiwillig solche Sachen kaufen. Sie hatte doch tatsächlich ihr Ballkleid zum Verkauf freigegeben und wirbt damit, dass es sich um ein wertvolles Einzelstück handelt, um dass sich die Modewelt die Finger lecken wird", erzählte Emi und verfiel in lautes Lachen.

"Sollten Sie es wagen, Ihr Wort zu brechen, werde ich es Asche und Feuer auf den Vatikan regnen lassen." zischte Luzius und ging dann aber auf den Deal ein. Er reichte Lady Fortescune ebenfalls die Hand und besiegelte damit den Handel zwischen den Beiden. "Nun gut, ihr wollt ihn haben? Hier ist er." Er zog wieder an Hamanos Ketten, bis er ihn nahe genug bei sich, dass er die Ketten in die Hände der Hunterdame geben konnte. "Sie sollten die Ketten dranlassen, es könnte sonst sein dass er wegläuft.... " Er wandte abfällig den Blick zu Hamano. Er zweifelte zwar daran, dass dieser noch weit kommen würde, aber man konnte ja nie wissen.

"Naja, mit dem Einzelstück hat sie ja Recht, aber der Rest....?" fragte Takara und wirkte etwas verwundert. "Wer weiß , vielleicht kauft es ja wirklich jemand, aber ich muss ehrlich sein, ich bezweifle es leider....Für mich wäre die Mode, die sie herstellt, etwas zu ausgeschnitten und zu ausgefallen. In Paris hätte sie sicherlich Erfolg damit, dort sind die Designer meist genauso verrückt wie sie selbst."

"Nichts läge dem Vatikan jemals ferner, als sein Wort zu brechen!", beteuerte Lady Fortescune und nahm dankend die Kette in die Hand. Kaum, dass sie die Kette in den Händen hielt, erstrahlte die Kette in hellem Licht und war wie frisch geputzt. Hamano ging es aber kein bisschen besser als vorher. Anstatt, dass die Kette mit dem Feuer der Hölle glühte, brannte nun das helle Licht auf seiner empfindlichen Haut.
"Du Narr! Du glaubst ihnen doch nicht etwa?! Ich dachte ihr gebt eure Gefangen nicht so einfach her, wenn sie erst einmal euer sind!!!"; rief Hamano wütend, doch verstummte er sofort, als Lady Fortescune ihm den Mund knebelte.
"Wir werden ihn in 3 Tagen wieder zurück in die Hölle schicken. Noch schöne Restfeiertage, wünsche ich!"; erklärte die Lady und verließ dann mit einigen der anderen Hunter die Veranstaltung und die Senatsstadt.
"Ich habe zumindest noch niemanden gesehen, der bei ihr eingekauft hatte...gut bis auf ein paar russische, neureiche Frauen, die aussahen, als würden sie alles kaufen, was nur irgendwie teuer ist. In dem Fall hat Matsi wohl ihren Geschmack getroffen", bemerkte Emi, als sie über Matsuos bisherige Verkäufe nachdachte.

Luzius nickte, und sah dann noch zu, wie Lady Fortescune mit Hamano wieder die Tribüne verließ. Kurz blickte er ihr noch hinterher, beziehungsweise auf die Stelle, an der sie gestanden hatte, bevor er sich wieder an die noch übrigen Vampire wandte. "Ich hoffe doch sehr, ihr habt die Show genossen. Nun, wir sehen uns später , auf dem Bankett und dem sich anschließenden Ball." Mit diesen Worten löste auch er sich in Rauch auf - er hatte noch einiges anderes zu tun.

"Nun, jedem das Seine. Sie scheint ja offenscihtlich Geld damit zu machen. Aber die russischen Damen haben sicherlich eine Art Sammlerstück gekauft mit Matsuos Kleid. Wer weiß, vielleicht ist das ja auch der Zweck der Kleider und Kollektionen? Vielleicht sind sie nicht zum Anziehen gedacht, sondern vielmehr, um damit angeben zu können?" hinterfragte Takara das Ganze und grübelte nach, wer wohl so etwas kaufen konnte. Sie hatte zumindest eher positives vom russichen Adel gehört, bisher.

Nachdem sich Luzius in Luft und Rauch aufgelöst hatte und niemand ihn mehr sehen konnte, erhoben sich die Vampire wieder von ihren Sitzen und die Veranstaltung löste sich allmählich auf. Das gewöhnliche Volk machte sich auf den Nachhauseweg, denn die künstliche Nacht würde nun jeden Moment enden. Der Ball fand schließlich in einem Haus ohne Fenster statt, es würden also keine Tricks benötigt werden. Kaum, dass die Plätze auch nur frei wurden, begann das Clean-T.E.A.M. bereits mit dem Abbau der Tribünen und des Schaffotts.

"Lasst uns in den Senat gehen und uns noch ein wenig ausruhen. Ich muss mich auch noch für den richtigen Anzug entscheiden...", schlug Ryouji vor, während er sich streckte. Das lange Sitzen hatte ihn müde gemacht.
"Oh ich denke da wird niemand etwas dagegen haben", meinte Emi und machte sich ebenfalls auf den Weg in den Senat. Kyo und Seiji waren mit den Shirotsukis bereits vorgegangen, um den reservierten Aufenthaltsraum für die Hiya-Akademie in Beschlag zu nehmen. Schließlich würde jederzeit die bestellte Nachlieferung der Ballkleider und Anzüge eintreffen.
Sakura dagegen verdrehte verärgert die Augen, da sie Kaien tragen musste, der schlafend sich an ihren Rücken klammerte, als sei er ein Affenbaby. "Nicht aufregen...nicht aufregen...", sagte die junge Hunterin mantraartig auf, da sie sonst Kaien am liebsten einfach achtlos auf das Kopfsteinpflaster fallen gelassen hätte.

Amaya folgte Hana und Saoyko, die einen eigenen Raum für sich ergattern konnten - niemand sollte sie beim Umziehen stören. Sie hatten Yuuji wieder Yokai überlassen, der zusammen mit Yoshiro und Takara den Weg zu den eigenen Gemächern der Vorsitzendenfamilie eingeschlagen hatte, ebenso wie Amura und Ruka. Sie alle hatten sich schon Kleider schneidern lassen, und hofften, dass diese rechtzeitig kommen und auch passen würden. Takara hatte sich letzten Endes doch für ein Rotviolettes Kleid mit der Stickerei in Form eines Phönix entschieden, und war relativ glücklich mit dieser Kombination. So hätte sie die Taikis und auch die Shadakos auf ihrer Seite.

Im Senat huschte bereits ein vollständiges Symphonieorchester durch die Gänge, da in wenigen Minuten eine spontan geplante Probe stattfand, damit für den in weniger als einer Stunde stattfindenden Ball auch die musikalische Untermalung vorhanden war. Neben Chiaki als Sängerin, hatten sich auch mehrere der Gäste dafür gemeldet im Orchester spielen zu dürfen.
Kumiko eilte daher im schwarzen, eleganten Abendkleid vom Instrumentenraum zur Probe mit einem großen Fagott in ihren Händen.
Ihr folgte Emi, die mit ihrer Bratsche unterm Arm einen kleinen Sprint unternahm. Sie hatte sich ebenfalls für ein schwarzes Abendkleid entschieden, das noch eleganter war, als das türkise Kleid, das sie beim Schulball getragen hatte. Da sie aber nicht völlig auf die Familienfarben verzichten wollte, hatte das schwarze Kleid eine türkise Ziernaht in Form des Familienwappens.
Zu ihrer Verwunderung traf Emi im Probenraum auch Matsuo an, die sich als Piccoloflöte gemeldet hatte.
"Wenigstens sitze ich weit genug entfernt von ihr..ein Hoch auf die klassische Sitzordnung!", dachte Emi erleichtert. Sie war schon gespannt, wen sie vielleicht noch hier treffen würde. Sie hatten sich überhaupt nicht ausgetauscht wer alles im Orchester mitspielen würde.

Durch Zufall hatte auch Hana von dem Orchester erfahren. Sie war kurz noch aus der Garderobe gehuscht um ihre Schuhe zu suchen die sie wohl vergessen hatte, als sie die anderen mit den Instrumenten bemerkte, und sogleich war sie wieder auf dem Weg zurück, um es den anderen zu erzählen. So kam es, dass nur wenige Minuten später Sayoko mit einer Bassflöte bewaffnet war, Hana sich eine Piccoloflöte geschnappt hatte und Amaya ein Cello hinter sich herschleppte. Eilig waren auch sie bereits auf den Weg zum Probenraum, dicht gefolgt von der Familie Shadako, die sich kurzerhand ebenfalls dazu entschlossen hatte, bei diesem Orchester mitzuwirken - zumindest ein Teil der Familie. Den Drillingen war es doch zu viel Aufruhr, sie würden als Zuschauer jedoch später die Musik genießen. Und auch Amura schien es nicht ganz zu passen, dass er auf seinem eigenen Ball mitwirken sollte, weshalb später nur Yoshiro, Yokai und Yuuji, Takara und Ruka auftauchten. Während Yoshiro sich an den Flügel begab, stellte sich Ruka zu Chiaki, um sie notfalls als Altstimme zu begleiten. Yokai hielt schon längst nach einer Orgel Ausschau, während Yuuji sein Talent mit der Geige beweisen wollte, und Takara verzweifelt auf der Suche nach ihrer Oboe war.

"Au Backe...", seufzte Matsuo, als sich Hana ebenfalls mit einer Piccoloflöte in ihre Richtung bewegte. Vielleicht hätte sie doch ein anderes Instrument nehmen sollen, aber jetzt war es ohnehin zu spät.
Mittlerweile war auch schon der Dirigent erschienen, der die adligen Gastspieler höflich begrüßte. Die Gespräche fanden allmählich ihr Ende und man begann bereits mit Stimmen, als noch einige Nachzügler hinein eilten.
Da es sich bei einem der zu spielenden Stücke um ein experimentelles Stück handelte, war niemand verwundert als Kaoru mit einem Didgeridoo und einem Horn den Raum betrat. Für den traditionellen Teil würde sie Horn spielen, während sie in anderen Passagen das Didgeridoo benutzen würde.
Nach Kaoru folgten noch einige Taikis und Aritomos, die sich in letzter Sekunde noch dazu entschieden hatten mitzuspielen: Juria brachte eine Harfe mit sich, Nozomi einen Kontrabass, Senri gesellte sich zu den Violinen, während Kanon mit einer Klarinette ankam. Zu guter Letzt betraten noch Kyosuke, Seiji und Hirou den Raum.
Kyo hatte seine Querflöte mitgebracht, während Seiji und Hirou sich beide zu Amaya und den Celli gesellten. "Können wir dann endlich mit der Probe beginnen?", fragte der Dirigent schon etwas verzweifelt, da ständig mehr Nachzügler noch eintrudelten. Bei sovieler adliger Unterstützung wunderte sich der Dirigent schon ob überhaupt noch Zuhörer übrig waren.

"Verzeiht, ich war zu spät...." Mit einem etwas gehetzten Gesichtsausdruck war auch noch Hasekura angekommen, die ein Didgeridoo und eine Panflöte mit sich führte und sich so zu Kaoru gesellen konnte. Die restlichen Adligen hatten sich, wie es schien, doch für das Zuhören entschieden, aber auch so waren genügend Leute vorhanden, immerhin gab es noch die eigentlichen Orchestermusiker der Kageshima-Phillharmonie. Normalerweise bildeten sie auch schon so ein vollständiges Orchester, nun aber wurden sie noch weiter ergänzt, was wohl für das Stück auch vonnöten war.

Hana, die nun neben Matsuo saß, hatte einen etwas ärgerlichen Ausdruck im Gesicht, doch noch war sie die erste Piccolo, und das würde ihr niemand streitig machen. Gegen ein Modepüppchen würde sie spieltechnisch allemal ankommen. Leicht wandte sie den Blick ab, wieder zurück auf die Noten, und wartete , so wie der Rest wohl auch, auf den Beginn der Probe.

Matsuo rümpfte die Nase, da sie für Hana Platz machen müsste. Eigentlich hatte sie sich auf den Platz der ersten Flöte gesetzt, doch hatte der Dirigent sie umgetauscht gegen Hana. Matsuo war aber dennoch überzeugt, dass sie den Dirigent davon belehren konnte, wie viel besser sie spielte im Vergleich zu Hana.
Da nun endlich alle da waren, erhob der Dirigent den Taktstock und die ersten Töne erklangen. Da das Stammorchester bereits seit Wochen gut eingespielt war, klang die Musik auch schon äußerst bezaubernd. Unter den Stücken fand sich auch eine selbstkomponierte Symphonie von Luzius, die den Musikern aber vor allem Yoshiro am Flügel einiges abverlangte. Man merkte sofort welches Instrument das Lieblingsinstrument des Akuma war.

Nebenan wurden für die adligen Gäste im Jugendalter noch ein Tanzcrashkurs durchgeführt, damit der Ballabend auch ein voller Erfolg wurde.

Yoshiro tat sein Bestes, doch eigentlich hatte er keinerlei Probleme damit, vom Blatt zu spielen, ebensowenig wie der Rest der adligen und reinblütigen Vampire. Sie hatten Jahrhunderte Zeit gehabt, um die Kunst des Musizierens zu perfektionieren, und manch ein Royalist behauptete gern, das Symphonieorchester der Kageshima wäre sogar besser als die Wiener Phillharmoniker. Doch hier, am anderen Ende der Welt, störte es kaum einen, stattdessen konzentrierten sich die meisten nun auf die höllische Sinfonie, die Luzius wohl eines Tages geschrieben hatte, als er niemanden zum Foltern gehabt hatte. Zumindest war das Stück so schwer, dass man schon leichte Schweißperlen auf der Stirn der Musiker beobachten konnte. Und doch, so schwer das Stück auch sein mochte und so sehr die Vampire kämpften, noch mitzukommen so schön war es auch. Dunkel und geheimnisvoll, hin und wieder durchzogen von Zorn und Wut,nur um im nächsten Moment in einen herrlichen Schleier aus Melancholie abzuschweifen.

Kaien konnte hinter der verschlossenen Tür die teuflische Symphonie mit dem Teufelstriller hören und tanzte vor der Tür auf und ab, da die Musik ihm so gut gefiel. "Himmlisch....super...einfach wunderschön....ich wünschte ich könnte so eine Spezialsymphonie der Schönheit schreiben!", lobte Kaien freudig tanzend das Komponiewerk von Akuma. So spontant fiel ihm kein sapharielistisches Gegenwerk ein, wenn Kaien ehrlich war fiel ihm überhaupt keine Symphonie ein, die jemals von Saphariel komponiert worden wäre. Die Musik der Hunter, die Kaien bekannt war, bestand nur aus Chorälen, die in Rom komponiert und vom Triumvirat kontrolliert wurden.

"Dir ist schon klar, WER diese Musik komponiert hat, Kaien?", fragte Sakura missmutig. Sie stand an der Wand angelehnt und musste sich schon fast dafür fremdschämen wie Kaien durch den Gang des Senatsgebäudes tanzte. Ausgerechnet dort wo ihn jeder sehen konnte. Und als ob das nicht reichen würde, begann Kaien nun auch noch damit die Melodie mitzusingen.

Selbst einen Gesangsteil hatte das Stück, gesungen auf dämonisch, der Muttersprache des Teufels, der das Stück komponiert hatte. In dem Lied pries er die Schönheit der Nacht und der Dunkelheit, die ihm und seinem Volk gehörte. Dementsprechend war auch das Stück vertont worden, wechselhaft, doch stets mit einer gewissen Gleichheit im Hintergrund. Die Nacht war die Nacht, doch auch sie konnte wechselhaft sein, unberechenbar und voller Gefahren und Tücken. Flotte Tänze schoben sich an hektische Passagen, die einer Jagd glichen und an dramatische Übergänge, die eine ganz eigene Geschichte erzählten.

"Ja und? Um Welten besser, als alles was wir jemals zu hören kriegen bei unserem achso tollen Triumvirat!!! Hach ist das spannend...fast wie ein Kinofilm!", entgegnete Kaien abwehrend. Ihm gefiel diese Musik um Welten besser, als das was die Hunter sonst immer vorgeschrieben bekamen. Da endete die Musik aber auch schon.
Der Dirigent lobte alle Mitwirkenden für ihr Engagement und das alle sich so gut auf das Stück vorbereitet hatten. Zufrieden bat er die Spieler nur noch, dass sie auch bitte alle pünktlich zur Aufführung mit Instrument erscheinen mögen. Da aber ohnehin alle auf dem Ball waren, dürfte das ja kein Problem sein.
Chiaki nahm sofort einige Bonbons um ihrem Hals und ihren Stimmbändern etwas gutes zu tun - die Gesangsstelle forderte von den Sängerinnen eben alles was sie konnten. "Auch eins?", fragte Chiaki ihre Gesangskollegin Ruka als sie die Bonbons verteilte.
Matsuo dagegen klagte über schmerzende Finger, da das Picollosolo eben doch schwieriger zu spielen gewesen war, als sie gedacht hatte.

"Oh, danke sehr!" freute sich Ruka, als sie von Chiaki ein Bonbon für die Stimme angeboten bekam. Auch der Altstimme hatte das Stück einiges abverlangt und es war oft schwer gewesen, noch das schöne Vibrato zu halten, welches Ruka sonst immer benutzte. "Sehr freundlich von Ihnen. Die Passage im zweiten Satz war wirklich heftig, ich dachte schon ich bekäme gleich einen Hustenanfall." plauderte sie. "Aber das Stück ist wirklich schön. Akuma-sama hat sich da mal wieder übertroffen."

"Na wunderbar." schimpfte dagegen Amaya, als sie auf ihren Bogen sah und merkte, dass der Bezug doch sehr gelitten hatte. Einige Rosshaare waren bereits ausgefallen und hingen schlaff vom Ende des Bogens herunter. Leicht schürzte sie die Lippen, sie würde wohl später beim Auftritt noch mehr verlieren.

Hana, die ebenfalls Piccolo gespielt hatte, klagte weniger über ihre Finger als über ihren Ansatz. In der dritten Oktave war die Piccolo sichtlich schwer zu spielen, und hatte ihren Lippen alles abverlangt. Wie Matsuo diesen Ansatz geschafft hatte, konnte sie selbst nicht sagen.